Saltos del Laja, sagte der Reiseführer, sei ein kleines Iguazú. Der kleine Ort hat einen Wasserfall, der einen Vorhang an einer Wand von vielleicht 20 – 50 Meter bildet, hinter dem man ein aufregendes Theaterstück erwartet. Aber das Schauspiel ist in Wirklichkeit der Wasserfall selbst.
Wir kommen abends nach einem langen Autobahnfahrtag in Saltos del Laja an und suchen nach dem Campingplatz, den wir in der Karte ausfindig gemacht haben. Der Eingang ist klein und schmal, der Weg abfallend und aus Erde. In der kleinen Holzhütte mit der Aufschrift „Recepción“ ist niemand und Yaron fährt einfach runter. Da kommt ein Mann in karriertem Hemd und Jeans von rechts auf uns zu. Ich frage vorsichtig „¿Para camping?“ und zeige auf den Weg. Der Mann nickt und macht den Daumen hoch. Also fahre ich auch den Weg runter, mit der linken Hand an die Kupplung geklammert, mit der rechten an die Handbremse und mit dem rechten Fuss auf der Hinterbremse.
Der Weg macht plötzlich eine Kurve nach rechts und ich biege ab. Dann rutsche ich ein Stück vorwärts, direkt auf Yaron zu, und komme gerade noch rechtzeitig zum Stehen. Ich habe mir die einzige sandige Stelle auf dem gesamten Platz gesucht um zu Bremsen. Ich klopfe mir gedanklich auf die Schulter, dass ich nicht umgefallen bin. Dann kommt der Mann von hinten und Yaron fragt „¿Donde recepción?“ „Me“ sagt der Mann und zeigt grinsend auf sich. Er führt uns zu einem überdachten Platz, neben dem noch mindestens zweimal soviel Platz daneben bis zum nächsten Stellplatz ist. „Ein Riesenplatz“, denke ich mir. Wir stellen die Motorräder ab und gehen auf den Mann zu, der sich auf eine Picknickbank gesetzt hat und etwas gelangweilt zuguckt, wie wir uns von unseren Motorrädern schälen. Wir klären, wieviel es pro Nacht kostet (7000 CLP) und wie lange wir bleiben wollen. Bezahlt wird sofort. Dann will er uns noch herumführen.
Wir laufen los, gucken uns auf einmal an, gucken auf die ungesicherten Motorräder, wieder auf uns und der Mann ruft uns zu „No problema“. Wir folgen ihm und laufen unter hohen Bäumen durch, die gerade ihre Blüten abwerfen. Weiß wie mit Schnee bedeckt sieht alles aus. „Hay una playa al rio“, erklärt der Mann seine Richtung. Yaron flüstert mir zu „ich hab‘ den Schlüssel noch stecken“ und blickt mich zögerlich an, und ich kann den Blick nur erwidern. Wir laufen am Dusch- und Toilettenhaus vorbei, an einem Stapel Feuerholz, einen schmalen Weg bergab, rechts um die Ecke, einige teils nasse Steinstufen herunter und …. da ist er, der Campingplatz-eigene Flussstrand. Das Wasser ist lauwarm und der Sand ist grau. Er erinnert mich an den Sand auf Teneriffa. Spätestens jetzt bereue ich, dass wir nicht schon eher am Tag hier angekommen sind. Aber die Luft ist einfach zu kalt um zu baden. Wir grinsen uns gegenseitig an und nicken dem Mann zu.
Als wir wieder auf dem Rückweg zu unserem Platz sind, sagt der Mann zu uns „no lu“ und zeigt auf eine Ecke des Duschhauses, wo die Duschen sind. Ich sehe ein Stück Duschkopf aus der Kabine herausgucken und denke „OK, nicht in die Dusche pullern.“ Ich nicke dem Mann zu. Er zeigt auf das andere Duschhaus und sagt „aca, es lu“. Da verstehe ich aufeinmal, was er uns zu sagen versucht. „Hier funktioniert das Licht nicht, aber bei dem anderen Duschhaus schon“. Das ganze Verständigungsproblem hätte es aber gar nicht gegeben, wenn die Chilenen das „s“ mitsprechen würden und wenn im Englischen „loo“ (sprich „lu“) nicht pullern bedeuten würde. Die Nacht kommt wie immer viel zu schnell und wir verschwinden im Zelt und im Land der Träume.
Am Morgen wachen wir viel später auf als sonst, die Bäume haben die Sonne zurückgehalten und die weißen Pollen fliegen uns um die Nasen. Wir packen zusammen, schwingen uns auf die Motorräder und werfen einen letzten Blick auf die Wasserfälle. Noch glaube ich nicht, dass Iguazú DER Wasserfall sein soll, nach dem man keinen mehr zu sehen braucht.
LG, Madl
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